Ein ungewöhnliches Projekt an der Uni Flensburg

Die Stiftung unterstützte ein ungewöhnliches Prokjekt der Abteilung "Textil und Mode" an der Europa-Universiät Flensburg, bei dem es - auch - um Puppen und Figuren ging.

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Projektgebundene Textilpraxis: Puppen und Figuren

Mit dem Titel der Veranstaltung stießen die Dozierenden im ersten Augenblick auf fragende Gesichter und gerunzelte Stirnen: „Was haben Puppen und andere Figuren denn mit uns zu tun? Das ist doch Kinderkram…“

Wir befinden uns an der Europa-Universität in Flensburg in der Abteilung Textil und Mode des Insti­tutes für Ästhetisch-Kulturelle Bildung. Und wir befinden uns jetzt am erfolgreichen Ende eines spannenden Projektes, das die genannte Frage zu beantworten wusste.

Die rund fünfzig jungen Frauen studieren Bildungswissenschaften. Die meisten der Studierenden möchten Lehrer_innen werden oder einen anderen Beruf im Bildungsbereich ergreifen. Figuren und Puppen werden allerdings eher im Zusammenhang mit Kindergarten als mit Schule oder an­deren Bildungskontexten, wie der Erwachsenenbildung, vermutet. Dabei ist das Thema sehr vielschichtig und bietet unterschiedlichste Formen der Auseinandersetzung auf theoretischer und textil-künstlerischer Ebene.

Das Projekt verortet sich im dritten Modul, d. h. die Studierenden befinden sich überwiegend im dritten bzw. vierten Semester. Das Modul „Projektgebundene Textilpraxis“ markiert somit die Hälfte ihres Bachelorstudiums. In dieser Phase verfügen sie über ein grundlegendes Wissen in den Bere­ichen der Textilwissenschaften und der angewandten Ästhetik in Fläche und Form.
Zu Beginn des Wintersemesters 2016/2017 stellten die Dozierenden das Konzept dieses Projektes vor. Es gliedert sich in mehrere Phasen, die sich über knapp zehn Monate verteilten und somit erst jetzt, am Ende des Sommersemesters 2017, abschloss.

Grundlegend für das Arbeiten in diesem Projekt sind die theoretische Fundierung durch die Pub­likation „Puppen — heimliche Menschenflüsterer“ von Insa Fooken und die weiteren von der Stiftung „Chancen für Kinder durch Spielen“ zur Verfügung gestellten Materialien, sowie die Ar­beitsweise des experimentellen Vorgehens und der Bezug zur ästhetischen Kommunikation (Schütz).

Das experimentelle Vorgehen ermöglicht neue Wege der Oberflächenherstellung und -gestaltung. Bekannte textile Techniken werden modifiziert, mit nichttextilen Materialien in Verbindung gebracht und neu interpretiert. Ihre Oberflächen sind vielfältig und lassen so eine vielfältige Wahrnehmung zu. Ein inspirierender Materialtisch wurde dafür ebenfalls von der Stiftung finanziert. Die intensive Auseinandersetzung mit Textilien unterschiedlichster Art kann mit Hilfe der ästhetischen Kommu­nikation reflektiert werden. Sie beruht auf der ästhetischen Wahrnehmung, also der Wechsel­wirkung von Subjekt und Objekt. Der Fokus rückt durch sinnlich wahrnehmbare Qualitäten im Prozess des textilen Machens sowie die Rückmeldung des eigenen Körpers, die Aufmerksamkeit vom textilen Objekt auf die eigene Person. Nach Beschreibung der Grundlagen kann nun Bezug auf die konkrete Umsetzung von „Puppen und Figuren“ genommen werden.

In einer ersten Phase der Vorbereitung wurde sich dem Thema Puppen und Figuren auf sehr un­terhaltende Weise angenähert. Besuche verschiedener Puppenspiele, Gespräche mit Figuren-bauer_innen und Einblicke in Puppen- und Figurenmuseen eröffneten eine andere Welt. Der Ein­druck von „Kinderkram“ transformierte sich in Staunen und Tatendrang.
Das erste Praxisziel galt es in der zweiten Phase zu erreichen - die Entwicklung einer zweidimen-sionalen Figur in ästhetisch-künstlerischen Auseinandersetzungen mit dem Schwerpunkt textilex-perimenteller Arbeitsweise. Zusätzlich konnten die Studierenden neue Techniken wie Bändchen­weben, Prägen oder Frottage kennenlernen und in ihre Arbeiten einfließen lassen. Diese Phase erstreckte sich als geblocktes Kursangebot über circa zweieinhalb Monate.

Die folgende, dritte Phase beinhaltete die Weiterentwicklung der gewonnenen Erfahrungen auf der Ebene des Dreidimensionalen. Eine besondere Rolle spielten hier die unterschiedlichen Figuren­formen und ihre Herstellungstechniken, durch die auch die Möglichkeitsräume von Bewegung und Ausdruck bestimmt werden. Diese Phase erstreckte sich zum Teil auch über die vorlesungsfreie Zeit. Die Studierenden hatten somit die Gelegenheit, ihr Vorhaben individuell zu organisieren und unabhängig von Lehrveranstaltungen zu arbeiten. Offene Termine luden zum Austausch der Trans­formationsprozesse vom Zwei- ins Dreidimensionale ein. Die fertig gestellten Puppen wurden an­schließend von einem Puppenbauer genau unter die Lupe genommen und mit den Studierenden über die Fähigkeiten, Besonderheiten und Spielweisen gesprochen.

Abschließend sollten die entstandenen Figuren Wort wörtlich ins Spiel gebracht werden. Der Um­gang mit gestaltungspraktischen Hindernissen in materialen und multimedialen Erfahrungsfeldern des Textilen sollte gelernt werden. Dazu muss das eigentliche Problem zunächst erkannt und ein geeigneter Lösungsweg gefunden werden. Dabei kann es auch notwendig sein, Erprobungen durchzuführen und diese zu beurteilen. Dazu boten die Dozierenden drei unterschiedliche Spezial­isierungsbereiche an. Allen gemein war die Entwicklung eines Charakters und dessen Darstellung. Im Spezialisierungsbereich Fotografie wurde den Figuren und Puppen durch ihre Haltungen und die Szenerie Ausdruck verliehen.

Im Bereich Live Spiel ging es um das Zusammenspiel von Men­sch und Puppe. Und im Spezialisierungsbereich Bewegte Bilder begannen die Figuren in Form von Stopmotionfilmen oder Bildergeschichten ohne den Menschen ein eigenes Leben. Die ästhetisch­künstlerischen Prozesse wurden individuell von den Studierenden konzeptioniert und umgesetzt. Gegenseitige Konzeptvorstellungen und Feedback halfen die eigene Arbeit voranzubringen und das Publikum als weitere Komponente mit zu bedenken.

Nun befinden wir uns am Ende des Projektes „Puppen und Figuren“, das mit einer internen Präsentation aller Ergebnisse abschließt.

„Was haben Puppen und andere Figuren denn mit uns zu tun?“

Stellen wir nun diese Frage an die Studierenden, schauen uns ähnlich fragende Gesichter wie zu Beginn des Projektes an und es wird direkt reagiert: „Ist das eine erst gemeinte Frage?“
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Nadja Rogalski

Abteilung Textil und Mode
Institut für Ästhetisch-Kulturelle Bildung
Europa-Universität Flensburg
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